Neues aus dem Arbeitsrecht · Quarantäne u. a.


Nachricht A 008/21

Kündigung & Quarantäne · Urlaub und Kurzarbeit

Die pandemiebedingten Einschränkungen halten unsere Gesellschaft weiterhin in Atem. Auch im täglichen Arbeitsrecht ergeben sich teils Fragen, welche bislang keine oder nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben.

Du bist in Quarantäne · ich kündige Dir

Ein gewisses Aufsehen erregte eine zuletzt vor dem Arbeitsgericht Köln verhandelte Kündigung des Arbeitnehmers, welcher infolge einer behördlichen Anordnung der Quarantäne seine Arbeit nicht aufnahm.

Der Arbeitgeber sprach ihm hieraufhin die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Als Besonderheit ergab sich vorliegend, dass der Arbeitgeber infolge seiner fehlenden Größe an sich keinen Kündigungsgrund vorbringen musste. Dennoch verlor er den Prozess in erster Instanz gegen den Arbeitnehmer.

Was war geschehen?

Der Arbeitgeber, ein Dachdeckerbetrieb, welcher regelmäßig weniger als 10 Arbeitnehmer beschäftigte, wurde durch den später gekündigten Arbeitnehmer informiert, dass dieser sich infolge behördliche Anordnung in häusliche Quarantäne begeben müsse.

Die Vorlage der behördlichen Bescheinigung verzögerte sich, ohne dass ein Verschulden des Arbeitnehmers erkennbar gewesen wäre.

Der Arbeitgeber verlor die Geduld mit seinem Arbeitnehmer und kündigte das Arbeitsverhältnis kurzer Hand.

Wie entschied das Arbeitsgericht Köln?

Die Kündigung erfolgte nach Ansicht des Arbeitsgerichts Köln 8 Ca 7334/20 zu Unrecht. Zugleich sprach das Arbeitsgericht Köln dem Arbeitnehmer Verzuglohn wegen der pflichtwidrigen Nichtbeschäftigung dieses durch den Arbeitgeber mit Ablauf der Kündigungsfrist in Höhe von 2.943,33 Euro zu.

Der Arbeitgeber berief sich im Wesentlichen darauf, dass er keinen Kündigungsgrund vorbringen müsse, um ein Arbeitsverhältnis aufzukündigen, da er regelmäßig weniger als 10 Arbeitnehmer beschäftige. Zudem habe der Arbeitnehmer noch nicht die sechsmonatige Wartefrist des Bestands des Arbeitsverhältnisses verwirklicht.

In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat.

Dies alleine wollte das Arbeitsgericht Köln nicht geltend lassen. Es hielt die durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung, nicht zuletzt wegen der Motivation des Arbeitgebers, welcher sich in einem WhatsApp-Verauf niederschlug, für sittenwidrig.

Bereits aus den Auszügen dieses Verlaufs ergab sich nach der Überzeugung des Gerichts die Treuwidrigkeit der ausgesprochenen Kündigung:

Kläger: „Ich warte darauf, dass ich die bekomme“

Beklagter: „Wie lange noch! Sollen wir das Verhältnis besser trennen? Brauche keine Krankmacher“

Kläger: „Ich will ja auch nicht krankmachen. Ich kann auch nix dafür. Mich kotzt es selbst an. Habe mir das nicht sicherlich nicht ausgesucht. Bin den ganzen Tag schon am versuchen da anzurufen.“

Weiter schrieb der Beklagte: „(…) Du bist doch eh arbeitsloses Gesindel und deine Familie auch! Also haste Zeit. Außerdem ist das Fahrrad schon längst beschädigt. Habe davon auch Fotos! Also lüg nicht immer rum! Nur weil du als sozialer Bengel kein Geld hast, musst du nicht auf meine Kosten dich bereichern! Glaube mir, du denkst, du bist ganz toll. Ich sage dir nur eins. Du hast so viel Mist am stecken, auch aus deiner Vergangenheit. Halt jetzt besser still und provoziere hier nicht.“

Arbeitsgericht Köln 8 Ca 7334/20

So führte das Arbeitsgericht Köln in seiner Begründung sodann auch folgerichtig aus:

Aus der Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes folgt jedoch nicht die grenzenlose Zulässigkeit von Kündigungen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts, der sich auch die hiesige erkennende Kammer anschließt, ist auch bei Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes der Arbeitnehmer jedenfalls vor willkürlichen Kündigungen geschützt. Als Ausfluss der zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138 BGB (Sittenwidrigkeit) sowie § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) hat ein Arbeitgeber auch bei Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes bei Ausspruch von Kündigungen ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme beachten.

Arbeitsgericht Köln 8 Ca 7334/20

Schlussfolgerungen aus der Entscheidung

Auch kleine Arbeitgeber sollten vergegenwärtigen, dass sie nicht willkürlich Arbeitsverhältnisse durch Kündigung einer Beendigung zuführen können.

Hat der Arbeitnehmer einen guten Grund nicht zur Arbeit zu erscheinen, so können Kündigungen bei Hinzutreten weiterer Rahmenbedingungen, insbesondere bei Offenkundigkeit eines feindseeligen und unsachlichen Verhaltens des Arbeitgebers, zur Unwikrsamkeit der Kündigung führen.

Kurzarbeit und Urlaub

Das Jahr 2020 hielt für uns alle die Überraschung „Corona“ bereit. Wurde bislang von der Bundesagentur für Arbeit im Jahre 2020 noch akzeptiert, dass Arbeitnehmer wegen der fortgeschrittenen Urlausplanung ihre Urlaubsansprüche des vorangegangenen Jahres nicht zur Vermeidung von Kurzarbeit einsetzen mussten, so sieht die Sache für 2021 anders aus.

Laut fachlicher Weisung der Arbeitsagentur vom 23.12.2020 müssen Arbeitnehmer ihre Urlaubsansprüche im Jahr 2021 wieder vorangig zur Vermeidung oder Verringerung von Kurzarbeit einsetzen.