Rücktritt, Widerruf und Anfechtung


Nachricht A 004/2021

Raus aus dem Aufhebungsvertrag · nur selten möglich

Der Arbeitgeber bittet zur Unterschrift und die Folgen

Genauso schnell, wie ein Arbeitnehmer seine Unterschrift unter den Arbeitsvertrag gesetzt hat, kann sich seine Unterschrift auch unter einem Aufhebungsvertrag wiederfinden.

Manchem reut es allerdings schon kurz, nachdem er diese schicksalsschwere Unterschrift geleistet hat.

Die Motivation der Arbeitnehmer zum Abschluss eines solchen Vertrages ist recht unterschiedlich. Der eine möchte das Arbeitsverhältnis vorzeitig beenden, um eine andere Arbeitsstelle anzutreten, dem anderen wird durch den Arbeitgeber der Aufhebungsvertrag angeboten, teils auch fast schon „aufgenötigt“.

Ich möchte „raus“ aus dem Aufhebungsvertrag

Für die, denen die Unterschrift reut, stellt sich schnell die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sie ihre „Unterschrift“ rückgängig machen können.

Eines steht fest, ob Rücktritt, Widerruf oder Anfechtung · arbeitsrechtlich alles nicht so einfach!

Allerdings gibt es zwischenzeitlich die eine oder andere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu diesem Themenkomplex.

Rücktritt · Vielleicht

Der Arbeitgeber zahlt die vereinbarte Abfindung nicht

So vereinbaren Arbeitgeber mit Arbeitnehmern häufig die Zahlung einer Abfindung. Was aber, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die als Gegenleistung zur Vertragsaufhebung versprochene Abfindung nicht zahlt?

Zahlt der Arbeitgeber mutwillig die Abfindung nicht, so könnte infolge dessen ein Rücktritt nach der Vorschrift des § 323 BGB angezeigt sein.

Anders gestaltet sich die rechtliche Einordnung, wenn der Arbeitgeber aus wirtschaftlichen, also tatsächlichen Gründen die Abfindung nicht mehr zahlen kann.

Hierzu hatte das Bundesarbeitsgericht BAG, Urteil v. 10.11.2011, Az.: 6 AZR 342/10 entschieden, dass für einen solchen Fall dem Arbeitnehmer kein Rücktrittsrecht vom Aufhebungsvertrag zustünde.

Im streitgegenständlichen Fall hatte die Arbeitgeberin nach Abschluss des Aufhebungsvertrages, aber noch vor Fälligkeit der Abfindung Insolvenz angemeldet. Hierin sah das Bundesarbeitsgericht den Hebel, einen Rücktritt des Arbeitnehmers vom Aufhebungsvertrag auszuschließen. Hierzu führte es aus:

Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass der Kläger nicht wirksam von dem am 5. August 2008 geschlossenen Aufhebungsvertrag zurückgetreten ist. Das folgt allerdings entgegen der Ansicht des Beklagten zu 1. und des Landesarbeitsgerichts weder aus einer unmittelbaren noch einer analogen Anwendung des § 103 InsO oder des § 105 Satz 2 InsO, sondern daraus, dass der Umstand, dass der Abfindungsanspruch des Klägers durch die Insolvenzeröffnung zu einer Insolvenzforderung geworden ist, kein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB begründet.

BAG Urteil vom 10.11.2011, 6 AZR 342/10

Zu Recht erkannte das Bundesarbeitsgericht in der Möglichkeit zur Anmeldung zur Insolvenztabelle die Gegenleistung, wenn auch nur deutlich wertgemindert oder wertlos.

Widerruf · Nein

Seitdem das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 25. Mai 2005 5 AZR 572/04 festgestellt hat, dass der Arbeitnehmer Verbraucher i. S. d. § 13 BGB ist und der Arbeitgeber Unternehmer i. S. d. § 14 BGB, lag der Gedanke nicht fern, dass der Arbeitnehmer als Verbraucher, den durch den Arbeitgeber vorformulierten Aufhebungsvertrag widerrufen könne.

Dies müsste umso mehr gelten, als dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in dessen Wohnung auch noch persönlich aufsucht und sich dort die Unterschrift des Arbeitnehmers „abholt“.

Dieser Möglichkeit des Widerrufs hat das Bundesarbeitsgericht ebenfalls eine Absage aus Rechtsgründen erteilt. Mit seiner Entscheidung BAG, Urteil vom 07.02.2019 6 AZR 75/18 stellte das Bundesarbeitsgericht fest:

Der Klägerin steht kein Widerrufsrecht gemäß § 355 iVm. § 312g Abs. 1, § 312b BGB zu. Der Anwendungsbereich für diese Vorschriften ist gemäß § 312 Abs. 1 BGB nicht eröffnet. Ein Aufhebungsvertrag kann darum vom Arbeitnehmer auch dann nicht widerrufen werden, wenn er, wie vorliegend, in der Wohnung des Arbeitnehmers geschlossen worden ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18

Ein Widerruf ist demnach – auch dies ist nachvollziehbar – ausgeschlossen, weil schlichtweg kein für den Widerruf notwendiger Verbrauchervertrag geschlossen wurde.

Das Bundesarbeitsgericht betonte allerdings in dieser Entscheidung auch die Pflicht des Arbeitgebers zum fairen Verhandeln und verwies bei Verstoß gegen diese Pflicht auf eine möglicherweise bestehende Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers.

Anfechtung · Vielleicht

Hat indes der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei Abschluss des Aufhebungsvertrages etwa arglistig getäuscht oder ihm gar rechtswidrig gedroht, um die Abschlusswilligkeit des Arbeitnehmers herbeizuführen, so kommt allerdings in ganz seltenen, da meist nicht nachweisbaren Konstellationen, die Anfechtung des Aufhebungsvertrages nach § 123 BGB in Betracht.

Arbeitnehmer hat sich tatsächlich fehlverhalten

Eine rechtswidrige Drohung liegt allerdings nur dann vor, wenn ein „verständi­ger“ Ar­beit­ge­ber die an­ge­droh­te Kündi­gung nicht ernst­haft in Be­tracht zie­hen durf­te.

Damit scheitert die Anfechtung zumeist, wenn der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung, nach wiederholter Abmahnung und erneutem Fehlverhalten (z. B. zu spät zur Arbeit kommen), androht und sodann dem Arbeitnehmer zur Vermeidung eines Rechtsstreits den Abschluss eines Aufhebungsvertrags anbietet. Für diesen Fall hätte der Arbeitgeber nämlich die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zumindest in Erwägung ziehen dürfen. Er hätte also durchaus Erfolgsaussichten gehabt, im Rahmen eines Streitets über die Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu obsiegen.

Arbeitgeber täuscht unternehmerische Entscheidung vor

Behauptet hingegen ein Arbeitgeber, er wolle eine Abteilung, oder gar einen ganzen Standort schließen, um so den Arbeitnehmer zur Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag zu drängen und stellt sich nachträglich heraus, dass die angekündigte betriebliche Maßnahme überhaupt nicht beabsichtigt war, kommt ebenfalls eine erfolgreiche Anfechtung des Aufhebungsvertrages wegen arglistiger Täuschung in Betracht.

Entscheidend für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist, soweit die tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen, dass die Jahresfrist des § 124 BGB gewahrt wird.

Fazit

Arbeitnehmern sollte klar sein, dass die Unterschrift unter einen Aufhebungsvertrag nahezu immer zur wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen wird und die einmal abgegebene Erklärung zumeist nicht „zurückgenommen“ werden kann.

Demnach ist immer dann, wenn der Arbeitgeber die Aufhebung des Arbeitsvertrages vorschlägt, besondere Vorsicht geboten. Nicht nur, dass alle wesentlichen und möglichweise streitigen Rechtspositionen in einem guten Aufhebungsvertrag geregelt sein sollten, sondern auch, dass die widerstreitenden Interessen wohl abgewogen sein sollten, ist Merkmal einer fairen Verhandlung, wie sie das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 07.02.2019 6 AZR 75/18 schließlich ausdrücklich forderte.

Aufhebungsverträge sollten daher neben dem Beendigungsdatum stets die bestehenden Restvergütungsansprüche ebenso beziffern, sowie das Verfahren mit Resturlaub, Überstunden und Arbeitszeugnis, betrieblicher Altersvorsorge usw.

Aus diesem Grunde wir ein seriöser Arbeitgeber regelmäßig dem Arbeitnehmer auch eine gewisse, angemessene Bedenkzeit unter vorheriger Aushändigung des Aufhebungsvertrages im Entwurf gewähren.

Jedenfalls ist infolge der derzeitig verfestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowohl Arbeitgebern, als auch Arbeitnehmern anzuraten, vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages sich kompetenten rechtlichen Rat einzuholen. Wir stehen Ihnen hierzu gerne mit Rat und Tat zur Seite. Nutzen Sie hierzu auch unsere unverbindliche Anfrage.