Zahlung erhöhter Vergütung – Bezugnahme-Klausel entbehrlich


Nachricht A 021/2020

Arbeitsrecht in Düren

Arbeitnehmer streicht Bezugnahme-Klausel und erhält trotzdem höheren Lohn

Das tarifvertragliche Günstigkeitsprinzip gilt trotz Ablehnung einer Bezugnahme auf den Tarifvertrag bei Abschluss des Arbeitsvertrags durch den Arbeitnehmer. Dies selbst dann, wenn die fehlende Bezugnahme auf der wunschgemäßen Streichung der Klausel auf dem Wunsch des Arbeitnehmers selbst beruht. Die Verwendung einer Bezugnahme-Klausel kann also auch für solche Fälle entbehrlich sein.

Was war passiert?

Björn-M. Folgmann berät Sie

Ein Arbeitnehmer mit Zugehörigkeit zu der tarifschließenden Gewerkschaft strich bei Abschluss des ihm vorgelegten Arbeitsvertrags einige Formulierungen, insbesondere die Bezugnahme auf den Firmentarifvertrag. Später verlangte er auf dem Wege der Differenzlohnklage erhöhte Vergütung nach den tarifvertraglichen Vorschriften. Die Arbeitgeberin, welche mit der zuständigen Gewerkschaft einen Firmentarifvertrag geschlossen hatte, lehnte die höhere Vergütung unter Hinweis auf die wunschgemäße Streichung der Bezugnahme auf den Tarifvertrag ab.

Der Tarifvertrag selbst enthielt eine Regelung, nach welcher die Vergütungsregelungen des Tarifvertrages nur dann auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollten, wenn dies ausdrücklich im Arbeitsvertrag durch die Arbeitsvertragsparteien vereinbart worden sei.

Wie entschieden die Arbeitsgerichte?

Uneinheitlich! Während der Arbeitnehmer in den beiden ersten Instanzen nicht durchzudringen vermochte, entschied das Bundesarbeitsgericht zu seinen Gunsten.

Mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Mai 2020; Az: 4 AZR 489/19 stellte das höchste deutsche Arbeitsgericht klar:

Die Parteien eines Tarifvertrags können in diesem nicht wirksam vereinbaren, dass Ansprüche aus dem Tarifvertrag trotz beiderseitiger Tarifgebundenheit nur dann bestehen sollen, wenn die Arbeitsvertragsparteien die Einführung des Tarifwerks durch eine Bezugnahmeklausel auch individualvertraglich nachvollziehen. Eine solche Bestimmung liegt außerhalb der tariflichen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien.

Pressemitteilung 14/20 vom 13.05.2020

Von Interesse ist hierbei die Begründung des Bundesarbeitsgerichts. Schließlich unterließen im konkreten Fall nicht die Tarifvertragsparteien die „Vereinbarung“ des Tarifwerks. Vielmehr setzt das Bundesarbeitsgericht viel früher in seiner Argumentation an. So entzog des gleich ganz eine solche Verpflichtung zur Vereinbarung der Tarifgeltung den Tarifparteien. Damit ist eine solche Regelung aber zwangsläufig auch der Regelungsmacht der beiderseitig tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien entzogen. Also Obacht für den Arbeitgeber, welcher in einer solchen Situation damit rechnen muss, später entgegen des zunächst erklärten Willen eines Arbeitnehmers auf erhöhte Vergütung in Anspruch genommen zu werden.