Druckkündigung – Fehltritt in sozialen Medien


Nachricht A 015/2020

Arbeitnehmer löst „Shitstorm“ aus und nun?

Wir hatten bereits des häufigeren darüber berichtet, dass unbedachte Äußerungen von Arbeitnehmern in der medialen Öffentlichkeit der sozialen Medien zu arbeitsrechtlichen Sanktionen führen können. Hierbei ist zwischen verhaltens-und personenbedingter Kündigung sowie der Sonderform Druckkündigung zu unterscheiden.

Aber was, wenn eine solche Äußerung gleich einen „Shitstorm“ gegen Arbeitgeber oder einen wichtigen Auftraggeber auslöst?

Mit den üblichen arbeitsrechtlichen Fragestellungen sind Äußerungen des Arbeitnehmers zu bewerten, welche einen beleidigenden Gegenstand gegenüber dem Arbeitgeber selbst oder Kollegen und Kolleginnen zum Inhalt haben.

Hier kommt die Kündigung wegen eines verhaltensbedingten oder eines personenbedingten Grundes in Betracht.

So muss im Regelfall ein Arbeitgeber weder seine eigene Beleidigung, noch die Beleidigung eines anderen Arbeitnehmers hinnehmen. Gerade grobe Beleidigungen, zumal wenn diese völlig ohne Anlass erfolgen, werden in aller Regel sogar dazu berechtigen, eine außerordentliche fristlose Kündigung aussprechen zu dürfen. Gleiches gilt für üble Nachrede.

Was ist aber, wenn der Arbeitnehmer sich über Kunden des Arbeitgebers abfällig äußert?

Der Arbeitgeber kann aber auch ein übergeordnetes Interesse daran haben, dass sich der Arbeitnehmer über Kunden nicht abfällig äußert.

In solchen Konstellationen ist allerdings zu unterscheiden. Nicht jede Art der Kritik kann automatisch arbeitsrechtlich sanktioniert werden.

Sanktionswürdig sind regelmäßig echte Beleidigungen der Kunden durch den Arbeitnehmer. Hierbei handelt es sich in der Regel um Konstellationen, welche ebenfalls zu einer verhaltensbedingten oder personenbedingten Kündigung führen können.

Besonders zu beurteilen ist allerdings der Sachverhalt immer dann, wenn der Kunde des Arbeitgebers den Fortbestand des Auftragsverhältnisses von der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des störenden Arbeitnehmers abhängig macht. In solchen Fällen ist zunächst die Frage zu beantworten, ob es dem Arbeitgeber im Einzelfall zunächst zumutbar ist, eine gemeinsame Lösung mit dem Auftraggeber und dem Arbeitnehmer zu suchen, bevor eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochenen wird, oder ob nur die Kündigung ohne „Wenn und Aber“ den Auftrag retten kann. Hier kommt es insbesondere darauf an, ob tatsächlich eine nennenswerte Verfehlung des Arbeitnehmers vorliegt, oder es sich nur um eine „Befindlichkeit“ des Auftraggebers handelt. Auch wir in solchen Fällen die Frage zu beantworten sein, ob der Arbeitnehmer nicht anderweitig, außerhalb des „Bereichs“ des Auftraggebers eingesetzt werden kann.

Ob es sich hierbei um eine sog. „echte“ oder eine „unechte“ Druckkündigung handelt, kann hierbei eine ganz maßgebliche Rolle spielen; unter Umständen darf der Arbeitgeber also auch in solchen Konstellationen, das Arbeitsverhältnis auf dem Wege der Kündigung beenden.

Das Bundesarbeitsgericht führte zur Unterscheidung beider Alternativen aus:

a) Das Verlangen des Dritten kann gegenüber dem Arbeitgeber durch ein Verhalten des Arbeitnehmers oder einen personenbedingten Grund objektiv gerechtfertigt sein. In diesem Fall liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, ob er eine personen- oder eine verhaltensbedingte Kündigung erklärt (BAG 19. Juni 1986 – 2 AZR 563/85 – zu B II 2 a der Gründe). Eine solche Kündigung wird auch als „unechte Druckkündigung“ bezeichnet. Die Kündigung wird nicht primär wegen des durch den Dritten erzeugten Drucks erklärt, sondern wegen des personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrundes.

Bundesarbeitsgericht 6 AZR 420/12

b) Fehlt es hingegen an einer solchen objektiven Rechtfertigung der Drohung, so kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht. An die Zulässigkeit einer sogenannten „echten Druckkündigung“ sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber hat sich in diesem Fall zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden kann und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber drohen, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dabei ist jedoch Voraussetzung, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden (BAG 19. Juni 1986 – 2 AZR 563/85 – zu B II 2 b aa der Gründe). Zu berücksichtigen ist hierbei auch, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat (BAG 4. Oktober 1990 – 2 AZR 201/90 – zu II 3 der Gründe). Typische Fälle einer echten Druckkündigung sind Drohungen der Belegschaft mit Streik oder Massenkündigungen oder die Androhung des Abbruchs von Geschäftsbeziehungen für den Fall der Weiterbeschäftigung eines bestimmten Arbeitnehmers (zur Abgrenzung zwischen betriebsbedingter Druckkündigung und personenbedingter Kündigung vgl. BAG 26. Juni 1997 – 2 AZR 502/96 – zu B I 3 der Gründe; 31. Januar 1996 – 2 AZR 158/95 – zu II 5 a und b der Gründe, BAGE 82, 124).

Bundesarbeitsgericht 6 AZR 420/12

Egal in welcher Konstellation sich Arbeitgeber oder Arbeitnehmer wiederfinden. Jedenfalls sollte rechtzeitig umfassender fundierter rechtlicher Rat eingeholt werden. Gerade Druckkündigungen können allzu schnell zum arbeitsrechtlichen Fallstrick werden, wie sich aus den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts unschwer ableiten lässt.