Corona und Arbeitsrecht


Nachricht A 008/2020

Arbeiten zu Zeiten des „Shut-Down“

Die Nachrichten überschlagen sich in unseren Zeiten. In aller Munde ist der Begriff der neuen Pandemie und deren Auswirkungen. Corona bestimmt seit Tagen unseren Alltag und wird diesen noch für viele Wochen und Monate prägen. Gerade noch spricht unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel von der größten Herausforderung seit Ende des zweiten Weltkrieges, schon wird über ein allgemeines Ausgangsverbot spekuliert.

Welche rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen dies für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und die Tarifparteien mittel- und langfristig haben wird, bleibt abzuwarten. Auch welche Lehren die Gesellschaft, allen voran die Entscheidungsträger aus der aktuellen Situation ziehen werden, bleibt offen. Allerdings lohnt es sich gerade jetzt den Blick auf einige wichtige Rechtsfragen zu richten.

Muss ich zur Arbeit?

Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer, welche zur Arbeit verpflichtet sind, also nicht arbeitsunfähig erkrankt sind, Ihrer Verpflichtung zur Arbeit nachkommen. Anderes gilt nur bei Anordnung einer allgemeinen Ausgangssperre.

Kommen Arbeitnehmer dieser Pflicht nicht nach, so droht ihnen nicht nur Lohnverlust, sondern im schlimmsten Fall sogar der Verlust des Arbeitsplatzes infolge anhaltender Arbeitsverweigerung und einhergehender verhaltensbedingter Kündigung.

Was ist mit der Kinderbetreuung?

Die sonst weitestgehend öffentlich sichergestellte Kinderbetreuung für Erwerbstätige kam wegen der Schließung von Kitas und Schulen zum Erliegen.

Oma und Opa sind als gefährdete Gruppe der Erkrankung des Erregers Corona mit der Krankheit Covid-19 keine Alternative. Was also nun?

Auch die Sicherstellung der Kinderbetreuung liegt nicht im Machtbereich des Arbeitgebers. Er kann, muss aber nicht auf solche Belange Rücksicht nehmen.

Aber es gibt doch den § 616 BGB!

Richtig, vorübergehende Verhinderungen, welche in der Person des Arbeitnehmers liegen, befreien den Arbeitgeber nicht von der Pflicht zur Lohnzahlung. Dies wäre auch bei der vorliegenden Kinderbetreuung der Fall.

Also eine Lösung?

Nicht wirklich. Zum einen schließen viele Verträge die Anwendbarkeit des § 616 BGB als sog. dispostives Recht aus. Zum anderen versteht die Rechtsprechung zu Recht unter „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ einen Zeitraum von rund drei bis fünf Tagen, maximal einer Woche.

Also in der derzeitigen Situation auch keine Lösung.

Dann kriege ich aber zumindest für eine Woche Entgelt?!

Nein entweder, es liegt der Tatbestand des § 616 BGB vor, dann erhält man als Arbeitnehmer Entgelt, oder dieser Tatbestand liegt nicht vor. Für diesen Fall erhält man auch kein Entgelt – überhaupt keines.

Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.

§ 616 BGB – keine Lösung

Busse und Bahnen fahren nicht pünktlich!

Auch veränderte Fahrpläne im öffentlichen Nahverkehr infolge der Problematik rund um Corona ändern nichts an der Verpflichtung, pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen. Arbeitnehmer haben sich seit jeher auf veränderte Situationen bei der Fahrt zur Arbeit einzustellen.

Verspätungen oder Ausfälle des öffentlichen Nahverkehrs sind also derzeit zu erwarten.

Auch Umstände, wie zu erwartendes schlechtes Wetter spielen schließlich keine Rolle. Bei Missachtung drohen zunächst anteiliger Lohneinbehalt und Abmahnung als erste Stufe der Sanktionen.

Mein Betrieb muss aufgrund öffentlicher Anordnung schließen

In solchen Fällen ist zunächst zu unterscheiden, ob die gesamte Betriebstätigkeit untersagt ist, oder nur der Öffentlichkeitsverkehr eingeschränkt ist.

Grundsätzlich stellt nämlich auch in solchen Fällen der Arbeitgeber von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Erst nach erfolgter Freistellung ruht die Pflicht zur Arbeit.

Darf der Arbeitgeber aber seinen Betrieb nicht mehr betreiben und fällt damit die Möglichkeit zur Beschäftigung weg, so muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer grundsätzlich auch keinen Lohn zahlen. Bestimmen Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag nichts anderes, wird der Arbeitgeber damit von seiner Verpflichtung zur Lohnzahlung frei.

Werde ich halt „krank“?!

„Blau-Machen“ ist für solche Fälle aber auch keine gute Idee. Es ist ja die Zeit der Corona.

Dann sollte der Arbeitnehmer allerdings auch eine Erkrankung oder zumindest den Verdacht einer solchen nach den Maßstäben des Infektionsschutzgesetzes aufweisen.

Attestierender Arzt und Arbeitnehmer kommen unverändert bei der Erstellung oder Verwendung inhaltlich falscher Arreste in „Teufels Küche“, sollte der Arbeitgeber hiervon Wind bekommen.

Bei mir besteht der Verdacht auf Infektion

Besteht der Verdacht auf Infektion, so soll der Betroffene sich zunächst zwei Wochen in Quarantäne begeben. In solchen Fällen ist die Entgelt-Fortzahlung gesichert.

Kann ein Arbeitnehmer wegen Quarantänemaßnahmen nicht am Arbeitsplatz erscheinen, greift das Infektionsschutzgesetz. Dieses regelt, dass Arbeitgeber die Betroffenen bis zu sechs Wochen lang in voller Höhe weiterbezahlen müssen. Auf Antrag können sich Arbeitgeber diese Lohnkosten von der zuständigen Behörde erstatten lassen.

News der AOK Rheinland/Hamburg
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Nehme ich halt Urlaub?!

Auch hier gelten die allgemeinen Urlaubsgrundsätze. Freistellung erfolgt durch den Arbeitgeber. Dies gilt sowohl für bezahlten, als auch für unbezahlten Urlaub.

Verstößt man gegen diese Grundsätze, so drohen schlimmstenfalls ausfallende Entgeltleistungen, Abmahnung und Kündigung.

Mein Chef ordnet Kurzarbeit an. Und nun?

In vielen Betrieben wird derzeit erwogen infolge der behördlichen Auflagen Kurzarbeit anzuordnen. Aber darf der Arbeitgeber das son einfach.

Eine klare Antwort: Nur in vereinbarten Ausnahmefällen.

Das heißt: Sieht weder Vertrag, noch Tarifvertrag, noch Betriebsvereinbarung die Anordnung von Kurzarbeit vor, so kann der Arbeitgeber grundsätzlich nicht von sich aus Kurzarbeit anordnen. Für solche Fälle ist er darauf angewiesen, mit dem Arbeitnehmer eine entsprechende Individualvereinbarung zu treffen.

Kommt es in solchen Fällen zu keiner Einigung, so kann der Arbeitgeber noch eine Änderungskündigung aussprechen. Fällt er allerdings in den sachlichen Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes, so kann der Arbeitnehmer zunächst das Angebot unter Vorbehalt annehmen und hiergegen Kündigungsschutzklage führen.

Anforderungen an die Rechtspflege, insbesondere an die Arbeitsgerichtsbarkeit

Die Arbeitsgerichtsbarkeit versichert, alle Versuche zu unternehmen, zügige und sachgerechte Entscheidungen auch unter Aussparung von mündlichen Verhandlungen herbeizuführen. Diese, infolge der durch Corona ausgelösten Pandemie Notwendigkeit lässt sich aber nicht so ohne Weiteres umsetzen.

Hierzu bedarf es nämlich der Kooperation der übrigen Beteiligten. Insbesondere wird sich die Rechtsprechung nur dann den Herausforderungen stellen können, wenn vergleichsbereite Arbeitsvertragsparteien agieren.

Die Pandemie hat schlimme gesellschaftliche Folgen. Für die Justiz, welche sich im digitalen Wandel befindet, kommt sie zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Es steht zu hoffen, dass sowohl Gesetzgeber, als auch die Justiz aus diesen Problemen lernt und zügig die technischen Voraussetzungen für einen größtenteils digitalisierten Prozessablauf nunmehr auch zeitnah schafft, um in der Zukunft ob solcher Herausforderungen gewachsen zu sein.

Die Arbeitsvertragsparteien als „soziale Partner“

Björn-M. Folgmann informiert

Die fortdauernde Krise infolge der mit dem Erreger Corona einhergehenden Pandemie macht mehr als deutlich, dass das Arbeitsrecht nur Rahmenbedingungen für das Miteinander von Arbeitgeber und Arbeitnehmer schaffen kann.

Die Inhalte der Partnerschaft Arbeitsverhältnis sind zwischen den Parteien unter wechselseitiger Verständigung zu gestalten.

Nun besteht in der Tat die Gefahr, dass sich für den ein oder anderen eher Unnachgiebigen seine Haltung in der Vergangenheit rächen könnte.

Wer derzeit seine Kinderbetreuung nicht sicherstellen kann, wird bei einem noch wirtschaftenden Betrieb auf wenig Gegenliebe stoßen, wenn er darauf besteht gegen Entgelt-Fortzahlung für Wochen ohne Anrechnung auf Urlaub freigestellt zu werden. Schlimmstenfalls erfolgt dann noch der ergänzende Hinweis, den Urlaub brauche man ja dieses Jahr noch zwecks geplanter Reise.

Arbeitgeber ohne jedes Verständnis für die teils prekären Situationen der Arbeitnehmer, verspielen sich wiederum sehr leicht jedes Vertrauen.

Arbeitnehmer sollten wiederum bei ihren Forderungen nicht vergessen, dass es für den Arbeitgeber je nach weiterem Verlauf der Krise auch um die Existenz gehen kann. Dies wiederum hat die Gefährdung des Arbeitsplatzes zur Folge.

Es ist wie immer im Arbeitsrecht, ein vernünftiger Konsens muss zwischen den Beteiligten herbeigeführt werden.