Kein Gewohnheitsrecht


Nachricht M 003/2020

Kein Recht zum Betreten eines fremden Grundstücks

Der Bundesgerichtshof hatte sich mit seiner Entscheidung vom 24.01.2020, V ZR 155/18 mit der Frage zu beschäftigen, ob eine jahrzehntelang geduldete Nutzung eines Weges auf einem fremden Grundstück zu Gewohnheitsrecht erstarken könne.

Sachverhalt

Die unterlegenen Kläger sind Eigentümer Dreier im vorderen Bereich bebauter Grundstücke. Im hinteren Bereich wurden Garagen, welche nicht genehmigt wurden, errichtet. Diese Garagen sind nur über eine Wegführung erreichbar, welche über ein Nachbargrundstück führen erreichbar. Ein grundbuchrechtlich gesichertes Wegerecht ist nicht eingetragen. Der benachbarte Eigentümer und Beklagte war zuletzt nicht mehr gewillt, das Befahren oder Begehen seines Grundstückes zum Zwecke des Erreichen der Garagen hinzunehmen.

Christoph Schupp informiert

Vorsorglich erklärte der Beklagte mit Wirkung zum 31.12.2016 die Kündigung des etwaig durch Duldung entstandenen schuldrechtlichen Wegerechts.

Gegen die Sperrung des Weges richtete sich die Klage. Der Kläger berief sich bis zuletzt auf ein Wegerecht, hilfsweise auf das Bestehen eines Notwegerechts. Das Wegerecht ergebe sich bereits aus gewohnheitsrechtlichen Erwägungen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof entschied nun, dass eine Wegerecht nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung oder als dinglich gesichertes Wegerecht durch Grundbucheintragung entstehen könne. Eine Begründung infolge Gewohnheitsrechts scheide aus.

Gewohnheitsrecht kann als dem Gesetz gleichwertige Rechtsquelle allgemeiner Art nur zwischen einer Vielzahl von Rechtsindividuen und in Bezug auf eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen entstehen, nicht aber beschränkt auf ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn. In einem konkreten Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn kann ein Wegerecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch außerhalb des Grundbuchs nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung oder als Notwegrecht unter den Voraussetzungen des § 917 BGB entstehen, nicht aber durch eine – sei es auch jahrzehntelange – Übung unter Grundstücksnachbarn.

Pressemitteilung Bundesgerichtshof V ZR 155/18 vom 24.01.2020

Weiter ließ der Bundesgerichtshof in seiner Pressemitteilung wissen, dass je nach Konstellation allerdings das Bestehen eines Notwegerechts gemäß § 917 Abs. 1 BGB bestehen könne. Aus diesem Grunde verwies der Bundesgerichtshof die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Oberlandesgericht Köln zurück. Dieses wird nun im konkreten Einzelfall feststellen müssen, ob nicht die Voraussetzungen zur Bejahung eines solchen Notwegerechts vorliegen könnten.

Quelle: Bericht Phoenix vom 24.01.2020 (YouTube)

§ 917 Notweg

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

Eigentümer in vergleichbaren Situationen sollten nicht zuletzt aufgrund dieser Entscheidung darauf achten, grundbuchrechtlich abgesicherte Wegerechte auf dem fremden Grundstück eintragen zu lassen.