Mythen und Legenden


Nachricht A 002/2020

Die Probezeit

Über nur wenige Teilbereiche des Arbeitsrechts kursieren so viele Mythen und Legenden, wie über die Vereinbarung einer Probezeit.

Ausgangslage

Nach § 622 Abs. 3 BGB kann eine Probezeit von höchstens 6 Monaten bei einer verkürzten Kündigungsfrist von 2 Wochen vereinbart werden.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

§ 622 Abs. 3 BGB

Diese Regelung scheint auf den ersten Blick eine klare Mögichkeit zur Vertragsgestaltung und damit eine klare Rechtsfolge zu beinhalten. Dennoch ergeben sich in der täglichen Praxis zahlreiche Probleme beim Umgang mit dieser Regelung.

Björn-M. Folgmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Björn-M. Folgmann informiert aktuell

Mythos 1

Die Kündigungsfrist muss noch während der vereinbarten Dauer der Probezeit ablaufen.

Häufig gehen Arbeitnehmer, aber auch Arbeitgeber irrtümlich von der Annahme aus, die Kündigungsfrist müsse mindestens 2 Wochen vor Ablauf des vereinbarten Endes der Probezeit erfolgen. Dies ist nicht richtig.

Richtig ist vielmehr, die kündigende Partei muss die Kündigung spätestens bis zum letzten Tag der Probezeit ausgesprochen haben. Allerdings ist insbesondere bei einer Kündigung auf den „letzten Drücker“ auf einen sicheren Zugang der Erklärung zu achten.

Mythos 2

Es muss bei einer Kündigung während der Probzeit seitens des Arbeitgebers kein Kündigungsgrund vorliegen.

Richtig ist, dass das Kündigungsschutzgesetz persönlich auf das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers erst nach Bestand des Arbeitsverhältnisses von mehr als 6 Monaten Anwendung findet.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Arbeitgeber völlig willkürlich kündigen darf. So darf der Arbeitgeber, auch wenn er keinen nach dem Kündigungsschutzgesetz anerkannten Kündigungsgrund vorbringen muss, nicht willkürlich kündigen. Die Grenze ist hier der Rechtsmissbrauch.

Einen besonderen Ausdruck findet dieser Grundsatz in der Regelung zum Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB.

Mythos 3

Befristung und Erprobung schließen sich aus

Ein befristetes Arbeitsverhältnis kann ebenso eine Probezeitvereinbarung vorsehen, wie jede andere Art von Arbeitsverhältnis.

Auch kann ein befristetes Arbeitsverhältnis mit dem ausschließlichen Zweck der Erprobung geschlossen werden (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG).

Mythos 4

Mit Ablauf der Probezeit greift für den Arbeitnehmer der allgemeine Kündigungsschutz nach den Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes ein.

Hier irren Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleich in zweierlei Hinsicht. Verkürzt sich aufgrund Vereinbarung die mögliche Probezeit von bis zu 6 Monaten auf einer geringeren Zeitraum, so tritt der sog. allgemeine Kündigungschutz erst nach Bestand des Arbeitsverhältnisses von mehr als 6 Monaten ein. Diese Rechtsfolge ergibt sich unzweifelhaft aus der Regelung des § 1 Abs. 1 KSchG (Kündigungsschutzgesetz).

Mythos 5

Das Arbeitsverhältnis eines schwerbehinderten Arbeitnehmers mit Probezeit darf auch während der Probezeit nur mit Zustimmung des Inklusionsamtes gekündigt werden

§ 173 SGB IX knüpft für das Bestehen des Sonderkündigungsschutzes ähnlich wie das Kündigungsschutzgesetz an einen Bestand des Arbeitsverältnisses von mindestens 6 Monaten an.

Mythos 6

Das Arbeitsverhältnis mit einer werdenden Mutter darf während der Probezeit ohne Weiteres gekündigt werden.

Betrachtet man die Ergebisse zu den Mythen 4 und 5 rund um die Probezeitvereinbarung, so müsste man davon ausgehen, dass auch das Arbeitsverhältnis mit einer werdenden Mutter in den ersten 6 Monaten erleichtert gekündigt werden kann.

Allerdings weit gefehlt. Das Arbeitsverhältnis kann nur mit Zustimmung der zuständigen Behörde vom ersten Tage des Bestandes an gekündigt werden. § 17 Mutterschutzgesetz (MuSchG) kennt nämlich keine Zeitkomponente.