Der Erbe bei gleichzeitgem Ableben


Nachricht E 031/2019

Auf die Formulierung kommt es an

Ehegatten können sich im Rahmen des sog. Berliner Testaments zu wechselseitigen Erben einsetzen. Welche Rechtsfolge hat aber eine Bestimmung, mit welcher die Ehegatten für den Fall ihres gleichzeitigen Ablebens eine Erbfolge anordnen? Der Bundesgerichtshof unterstrich, „gleichzeitig bedeutet gleichzeitig.“

Was war passiert?

Ein kinderloses Ehepaar hatte sich mittels Testament zu wechselseitigen Erben eingesetzt. Später ordneten die Eheleute gemeinsam an, dass für den Fall des gleichzeitigen Ablebens eine andere Erbfolge eintreten sollte. Es sollte das Erbe für diesen Fall gleichmäßig zwischen den näher benannten Neffen und Nichten des Ehemanns aufgeteilt werden.

Der Ehemann verstarb vor seiner Ehefrau. Hieraus entwickelte sich schlussendlich ein Fall für den Bundesgerichtshof.

Die Ehegatten hatten nämlich ihr handschriftlich verfasstes Testament mit nachfolgender Ergänzung versehen:

Für den Fall eines gleichzeitigen Ablebens ergänzen wir unser Testament wie folgt: Das Erbteil soll gleichmäßig unter unseren Neffen bzw. Nichte [es folgen die Namen der Beteiligten zu 2 bis 5] aufgeteilt werden.

BGH IV ZB 30/18, Beschluss vom 19.06.2019

Das vorbefasste Oberlandesgericht Frankfurt vermochte in dieser Formulierung keine Schluss-Erbenstellung der benannten Nichten und Neffen des Ehemanns zu erkennen. Es sah die Cousine der zuletzt verstorbenen Ehefrau als Schluss-Erbin an. Gegen die Anordnung richteten sich die Nichten und Neffen des Ehemanns und wandten sich an den Bundesgerichtshof.

Wie entschied der Bundesgerichtshof?

Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt schlussendlich unter anderem mit nachfolgenden Ausführungen:

Die obergerichtliche Rechtsprechung, der sich der Senat anschließe, lege die Formulierung „bei gleichzeitigem Ableben“ oder „bei gleichzeitigem Versterben“ dahingehend aus, dass hiervon auch die Fälle erfasst werden sollten, in welchen die Ehegatten innerhalb eines kurzen Zeitraums nacheinander verstürben und der Überlebende in dieser Zeitspanne daran gehindert sei, ein neues Testament zu errichten. Eine für den Fall des gleichzeitigen Versterbens getroffene Erbeinsetzung gelte aber grundsätzlich nicht für den hier vorliegenden Fall, dass die Ehegatten nacheinander in erheblichem zeitlichen Abstand verstürben.

BGH IV ZB 30/18, Beschluss vom 19.06.2019

Auch der Argumentation, die Anordnung sei aufgrund weiterer Willensbekundungen der Erblasser via E-Mail der Auslegung zugänglich, vermochte der Bundesgerichtshof nicht zu folgen und verwies zutreffend auf die Verletzung der Formvorschriften.

Schließlich sei zu vorliegendem Sachverhalt auch keine anderweitige Auslegung aufgrund der äußeren Umstände möglich. Eine solche sei grundsätzlich für den Fall denkbar, dass die Erblasser erkennbar unter gleichzeitigem Ableben etwas anderes verstanden hatten, als der Wortlauf dieser Formulierung hergibt. Hierzu führt der Bundesgerichtshof aus:

Eine Ausnahme von den oben ausgeführten Grundsätzen könne nur angenommen werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls festgestellt werden könne, dass die Testierenden den Begriff des „gleichzeitigen Ablebens“ entgegen dem Wortsinn dahingehend verstanden hätten, dass er auch das Versterben in erheblichem zeitlichen Abstand umfassen solle, und wenn sich darüber hinaus eine Grundlage in der vorliegenden Verfügung von Todes wegen finde.

BGH IV ZB 30/18, Beschluss vom 19.06.2019

Der Bundesgerichtshof unterstrich also mit dieser Entscheidung nochmals, dass die Grenze der Auslegung der allgemeine Wortsinn im üblichen Sprachgebrauch ist. Gleichzeitig bedeutet gleichzeitig.

Fazit

Wie überall im Rechtsverkehr sollten auch Erblasser sich klar und deutlich ausdrücken. Wählen sie Formulierungen entgegen des allgemeinen Wortsinns kann das Ergebnis am Ende sein, dass der wahre Wille des Erblassers nicht mehr erkennbar ist und schlussendlich die gesetzliche Erbfolge eintritt.

BGH IV ZB 30/18, Beschluss vom 19.06.2019