Kein Pflichtteil


Nachricht E 017/2019

Enterbt und kein Pflichtteil!

Enterbt und kein Pflichtteil! Ist das möglich?

Die Ausgangslage

Enterben kann der Erblasser den gesetzlichen Erben durch testamentarische Anordnung. Er ist an die gesetzliche Erbfolge nicht gebunden. Durch ein solches Negativ-Testament verliert der gesetzliche Erbe zwar seine Stellung als Erbe. Im Übrigen muss der Erblasser keinen weiteren Erben ausdrücklich einsetzen, sondern kann es im Übrigen bei der gesetzlichen Erbfolge belassen.

Meine Tochter … schieße ich ausdrücklich von der Erbfolge aus …

Der Enterbte hat jedoch gegen den oder die Erben das Recht, die Zahlung seines Pflichtteils zu verlangen. Hierbei handelt es sich um den hälftigen Wert des Erbteils, der entzogen wurde.

Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.

§ 2303 ABS. BGB

Wie kann der Enterbte auch sein Pflichtteil verlieren?

Die Möglichkeit des Erblassers dem gesetzlichen Erben auch das Pflichtteil zu entziehen ist hingegen nach dem gesetzgeberischen Willen stark eingeschränkt. Regelungen hierzu finden sich in § 2333 BGB.

Grundsätzlich muss der Berechtigte sich einer schweren Straftat zu Lasten des Erblassers schuldig gemacht haben, z. B. ihm nach dem Leben getrachtet haben.

Reicht auch ein Diebstahl zu Lasten des Erblassers?

Mit dem Fall eines Diebstahls zu Lasten des Erblassers hatte sich das Oberlandesgericht Stuttgart 19 U 80/18 zu beschäftigen. Im streitigen Erbvertrag hieß es:

Es heißt dort, die Erblasserin entziehe dem Kläger den Pflichtteil, denn er habe „sie im Juli 1991 sowie am 21.03.1992 bestohlen. Beim ersten Mal hat er ein Sparbuch sowie Bargeld in Höhe von ca. 800,00 DM gestohlen, beim zweiten Mal Bargeld in Höhe von 6.100,00 DM. Der zweite Diebstahl wurde von mir bei der Polizei in L. angezeigt, das Ermittlungsverfahren läuft derzeit noch. Auch wenn er den Diebstahl nicht gesteht und aufgrund mangelnder Beweise nicht verurteilt werden kann, kommt für mich aufgrund der gegebenen Umstände kein anderer als Dieb wie A. H. in Frage“.


Wegen der erwähnten Tat vom 21.03.1992 ist der Kläger von dem Amtsgericht … rechtskräftig zu einer Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je 50,00 DM verurteilt worden.

Auszug aus dem Beschluss des OLG Stuttgart vom 24.01.2019

Sowohl das Landgericht Stuttgart, als auch die Berufungsinstanz ließen diesen Umstand genügen, um eine schwerwiegende Straftat zum Nachteil der Erblasserin anzunehmen. Beide Gerichte sahen in der Anordnung der Erblasserin damit einen wirksamen Entzug des Pflichtteils (§ 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Die Konsequenzen der Entscheidung

Erben sollten sich bewusst sein, dass sie durch eine Rechtsänderung ab dem 01.01.2010 erweiterte Möglichkeiten des Entzugs des Pflichtteils haben. Bis dahin war der Entzug des Pflichtteils grundsätzlich daran gebunden, dass der Erbe dem Erblasser nach dem Leben trachtete.