Krankschreibung per WhatsApp


Nachricht A 016/2019

Streit mit dem Chef ist vorprogrammiert

Die Online-Krankschreibung ist derzeit in aller Munde. Stellt sich allerdings die Rechtslage tatsächlich so eindeutig dar, wie der Anbieter dieser Dienstleistung behauptet?

Das Angebot

Der Anbieter wirbt derzeit auf seiner Internet-Seite wie folgt:

Sie sind arbeitsunfähig wegen Erkältung und müssten daher zum Arzt? Hier erhalten Sie Ihre AU-Bescheinigung einfach online per Handy nach hause!

Diese Art der Bescheinigung werde – so der Anbieter – von den Krankenkassen und Arbeitgebern zu 100 % akzeptiert.

Diese sehr pauschale – sicherlich werbliche Aussage – sollte nicht unkommentiert bleiben.

So bestehen ernsthafte Zweifel, ob z. B. Arbeitgeber tatsächlich diese Art von Krankschreibung anerkennen müssen.

Die Rechtslage

Arbeitnehmer haben im Falle der arbeitsunfähigkeits-begründenden Erkrankung einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber für einen Zeitraum von bis zu 6 Wochen (§ 3 EntFG).

Der Arbeitnehmer hat die Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung (sog. AU-Bescheinigung) nachzuweisen:


(1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. 

Dem Arbeitgeber steht grundsätzlich nach § 7 EntFG ein Zurückbehaltungsrecht am Entgelt zu, soweit der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit nicht in Form einer ärztlichen Bescheinigung nachweist.


(1) Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern,

1.
solange der Arbeitnehmer die von ihm nach § 5 Abs. 1 vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt oder den ihm nach § 5 Abs. 2 obliegenden Verpflichtungen nicht nachkommt;

Diese ärztliche Bescheinigung ist grundsätzlich nach den berufsrechtlichen Vorschriften der behandelnden Ärzte zu erteilen.


Der Arzt hat bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und diese nach bestem Wissen seiner ärztlichen Überzeugung auszusprechen (vgl. 25 MBO-Ä 1997).

Ob diese Art der Fern-Diagnose an Hand einer Eigenanamnese noch den ärztlichen Sorgfaltspflichten entspricht, ist zumindest zweifelhaft.

Ungeachtet berufsrechtlicher Fragestellungen kann der Arbeitgeber sicherlich die Echtheit der jeweiligen AU-Bescheinigung ernsthaft in Zweifel ziehen. Bei AU-Bescheinigungen handelt es sich schließlich um ein Gesundheitszeugnis i. S. d. § 278 StGB


Ärzte und andere approbierte Medizinalpersonen, welche ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseres Wissen ausstellen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Aber nicht nur Ärzte, sondern auch Arbeitnehmer setzen sich bei der Nutzung eines möglicherweise falschen ärztlichen Zeugnisses einer Strafbarkeit nach § 279 StGB aus:


Wer, um eine Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft über seinen oder eines anderen Gesundheitszustand zu täuschen, von einem Zeugnis der in den §§ 277 und 278 bezeichneten Art Gebrauch macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Für den Arbeitnehmer kann auch der Betrugstatbestand eine Rolle spielen.

Aufgrund der Art der ärztlichen Begutachtung sowie der Art der Übermittlung können bei Arbeitgebern unter Grundlage vorstehender Ausführungen sich ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten Bescheinigung ergeben.

Unklare Rechtslage und Sanktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers

Solange die Rechtslage obergerichtlich nicht geklärt ist, sollten Arbeitnehmer von dieser Art von „Krankschreibung“ Abstand nehmen. Dem Arbeitgeber steht ein ganzes Arsenal an Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung.

Akzeptiert er die Vorlage der Bescheinigung nicht, so kann er z. B.

  • eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Arbeitsplatz (mithin Arbeitsverweigerung) aussprechen; im Wiederholungsfall kommt auch der Ausspruch einer Kündigung in Betracht;
  • die Entgeltfortzahlung verweigern, bis ihm das Attest im Original vorgelegt wird;
  • dem Arbeitnehmer aufgeben, ärztliche Atteste bereits ab dem ersten Tage der Erkrankung vorzulegen.

Ob die betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich vor Gericht obsiegen, sollte der Arbeitgeber eine dieser denkbaren Sanktionen ergreifen, ist völlig ungeklärt.

Gefälligkeitsattest und Rechtsfolgen