Sachgrundlose Befristung und Vorbeschäftigung


Nachricht A007/2019

Der Wortlaut als Grenze der Rechtsfortbildung

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seiner Entscheidung 7 AZR 733/16, verkündet am 23. Januar 2019, seine bisherige Rechtsprechung zur Vorbeschäftigung bei sachgrundloser Befristung oder unbefristeter Vorbeschäftigung aufgegeben.

Bisherige Rechtsprechung

Bisher hatte das Bundesarbeitsgericht und ihm folgend viele Instanzgerichte angenommen, dass das Befristungsverbot des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) für den Fall einer Vorbeschäftigung (hier: aufgrund ebenfalls sachgrundloser Befristung oder unbefristet), dann nicht zum tragen käme, wenn zwischen der Beendigung der Vorbeschäftigung und der erneuten Befristung mehr als drei Jahre vergangen seien.


Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBGfG).

Mit dem reinen Wortlaut ist die zeitliche Drei-Jahres-Grenze kaum begründbar. Hieran entfachte sich bereits seit langem sachliche Kritik. Nicht zuletzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Stuttgart widersprach dieser Auslegung des Gesetzes über den ausdrücklichen Wortlaut hinaus. Ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal vermochte das LAG Stuttgart 7 Sa 64/13 vom 21.02.2014 nicht zu erkennen.

Dennoch bedurfte es noch 5 Jahren und einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 (1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14), bis das Bundesarbeitsgericht seine dargestellte Rechtsprechung aufgab. 


Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht stellte hierzu bereits mit seinen Leitsätzen klar:


Die gesetzliche Beschränkung befristeter Beschäftigungsformen und die Sicherung der unbefristeten Dauerbeschäftigung als Regelbeschäftigungsform trägt der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Pflicht des Staates zum Schutz der strukturell unterlegenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und dem Sozialstaatsprinzip der Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG Rechnung.

Die mit einer Beschränkung der sachgrundlosen Befristung auf die erstmalige Beschäftigung bei dem jeweiligen Arbeitgeber einhergehende Beeinträchtigung der individuellen Berufsfreiheit ist insoweit gerechtfertigt, als es ihrer für den Schutz vor der Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung einer strukturellen Unterlegenheit und zur Sicherung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Regelfall bedarf.

Richterliche Rechtsfortbildung darf den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen.

Insbesondere die letzte Feststellung des Bundesverfassungsgerichts ist dabei mehr als nachvollziehbar und bedeutete den „Todesstoß“ für die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

So ist wenig verwunderlich, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner aktuellen Entscheidung nunmehr gemäß eigener Pressemitteilung ausführt:


Im Jahr 2011 hatte das Bundesarbeitsgericht zwar entschieden, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfasse in verfassungskonformer Auslegung nicht solche Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen. Diese Rechtsprechung kann jedoch auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 (- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) nicht aufrechterhalten werden.

Auswirkungen auf die Praxis

Arbeitgebern ist anzuraten, ihre Personalabteilungen zwecks Nachforschung von Vorbeschäftigungen zu sensibilisieren. Es ist nämlich anzunehmen, dass auch deutlich weiter zurückliegende Vorbeschäftigungen anhand des eindeutigen gesetzlichen Wortlautes sich problematisch gestalten.

Arbeitnehmer, welche bereits viele Jahre vor der Aufnahme einer Beschäftigung aufgrund sachgrundloser Befristung oder unbefristet bei einem Arbeitgeber beschäftigt waren, sollten prüfen, ob für sie nicht eine Entfristung aufgrund Entfristungsklage zu den Arbeitsgerichten in Betracht kommt.