Mindestlohn und Ausschlussklausel


Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts bringen teilweise Klarheit

Mehrere Fälle zur einzelvertraglichen Ausschlussklausel entschieden

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich zuletzt gleich mehrfach mit der Thematik Mindestlohn und vertragliche oder tarifvertragliche Ausschlussklauseln zu beschäftigen.

Jetzt brachten einige Entscheidungen ein wenig mehr Klarheit für die künftige Anwendbarkeit von vertraglichen Verfallklauseln und Mindestlohn. Dies aber nur bedingt. Weiterhin sind viele Fragen rund um das Thema Mindestlohn und Ausschlussklausel offen!

Einführung des Mindestlohns

Mit Einführung des Mindestlohngesetzes zum 01.01.2015 sind Vereinbarungen zwischen Arbeitsvertragsparteien unwirksam, soweit diese einen Verzicht auf Mindestlohn zum Gegenstand haben.

§ 3 Mindestlohngesetz formuliert:

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.

Unstreitig kann also nach dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes niemand mehr auf Lohnbestandteile einzelvertraglich verzichten, es sei denn durch gerichtlichen Vergleich. Diese Rechtslage gilt bereits seit dem 01.01.2015. 

Kündigungsschutzklage und Ausschlussfrist

Was aber, wenn in einem Rechtsstreit über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses die ordnungsgemäße Abwicklung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird und der Vertrag keine ausdrückliche Regelung zur Urlaubsabgeltung enthält. Unzweifelhaft nämlich beinhaltet auch Urlaubsabgeltung als Lohnersatzleistung einen Bestandteil an Mindestlohn, auf welchen nach Willen des Gesetzgebers nicht so ohne Weiteres verzichtet werden darf.

Dem Sachverhalt der Entscheidung Bundesarbeitsgericht 9 AZR 162/18 lag gemäß Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:


Der Kläger war beim Beklagten als Fußbodenleger beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 1. September 2015 ist u. a. geregelt, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind. Nachdem der Beklagte das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, schlossen die Parteien im Kündigungsrechtsstreit einen Vergleich, dem zufolge das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 15. August 2016 endete und in dem sich der Beklagte ua. verpflichtete, das Arbeitsverhältnis bis zum 15. September 2016 ordnungsgemäß abzurechnen. Die vom Beklagten erstellte und dem Kläger am 6. Oktober 2016 zugegangene Abrechnung für August 2016 wies keine Urlaubsabgeltung aus. In dem vom Kläger am 17. Januar 2017 anhängig gemachten Verfahren hat sich der Beklagte darauf berufen, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei verfallen, weil der Kläger ihn nicht rechtzeitig innerhalb der Frist der Ausschlussklausel geltend gemacht habe. 

Das Bundesarbeitsgericht vermochte der Argumentation der beklagten Arbeitgeberin nicht folgen.

Es stützte seine Entscheidung im Wesentlichen auf den Umstand, dass die formularmäßig im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlusskausel nach  §§ 306, 307 BGB i. V. m. § 3 Mindestlohngesetz unwirksam sei. Es teilte hierzu u. a. mit:


Er (der Arbeitnehmer Anm. d. Red.) musste den Anspruch nicht innerhalb der vertraglichen Ausschlussfrist geltend machen. Die Ausschlussklausel verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ist nicht klar und verständlich, weil sie entgegen § 3 Satz 1 MiLoG den ab dem 1. Januar 2015 zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnimmt. Die Klausel kann deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden (§ 306 BGB). § 3 Satz 1 MiLoG schränkt weder seinem Wortlaut noch seinem Sinn und Zweck nach die Anwendung der §§ 306, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ein.

Das Bundesarbeitsgericht ließ aber mit dieser Entscheidung ausdrücklich offen, ob diese Rechtsprechung auch auf Altverträge, welche vor dem 01.01.2015 geschlossen wurden, Anwendung findet.

Eine weitere noch offene Frage wurde damit nicht geklärt.

Zuvor hatte sich bereits der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts mit einer weiteren Frage rund um einzelvertragliche Ausschlussklauseln beschäftigt.

Das Bundesarbeitsgericht stellte in seiner Entscheidung BAG 5 AZR 262/17 klar, dass solange die Arbeitsvertragsparteien über einen Anspruch (hier: Urlaubsabgeltung) inhaltlich verhandeln, der Verfall der später gerichtlich geltend gemachten Ansprüche analog § 203 Satz 1 BGB gehemmt ist.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. 

Dem Arbeitnehmer ist es also möglich ab dem Zeitpunkt des Scheiterns der Verhandlungen, den Anspruch noch fristgerecht geltend zu machen, wenn er ab diesem Zeitpunkt die sodann wieder laufenden Fristen einhält.