BAG bestätigt nur sehr eingeschränkte Möglichkeit der Anfechtung von Lohnzahlungen – § 133 InsO ist kein „Superanfechtungstatbestand“!


Der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG 6 AZR 345/12) hob mit seiner Entscheidung, verkündet am 29.01.2014 hervor, dass für einen Insolvenzverwalter nur eine sehr eingeschränkte Möglichkeit der Insolvenzanfechtung zu erfolgten Lohnzahlungen bestünde.

Diese Entscheidung bringt insbesondere Klarheit für die Personengruppen von Arbeitnehmern, welche bereits frühzeitig Rückschlüsse auf mögliche wirtschaftliche Probleme der Arbeitgeberin ziehen können. Zu nennen wären hier vor allem Leitende Angestellte und Mitarbeiter der Buchhaltung.

Ein Insolvenzverwalter nahm auf dem Wege der Insolvenzanfechtung, eine Lohnbuchhalterin wegen von der Arbeitgeberin (Insolvenzschuldnerin) erhaltenen Netto-Entgelts für den Zeitraum Januar 2007 bis Juli 2007 in Gesamthöhe von 10.023,30 €, in Anspruch.
Er begründete das Vorliegen der notwendigen nachteiligen Rechtshandlung mit einem Tatbestand nach § 133 InsO (vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung).

Das Bundesarbeitsgericht sah zwar im Wesentlichen – vergleichbar den Vorinstanzen – den objektiven Tatbestand des § 133 InsO im Wesentlichen als erfüllt an, gab der Klage des Insolvenzverwalters im Ergebnis aber letztinstanzlich dennoch nicht statt.

Das Bundesarbeitsgericht argumentierte insbesondere wie folgt:

Zwar hätte die Lohnbuchhalterin aufgrund der vorliegenden Zahlen die Überschuldung und die drohende Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin erkannt, oder zumindest erkennen müssen. Dennoch hätten weder die Insolvenzschuldnerin als Arbeitgeberin, noch die Arbeitnehmerin das durch den Gesetzgeber nach § 133 InsO missbilligte Verhalten an den Tage gelegt.

So argumentiert das Bundesarbeitsgericht:
„Die abschließende Kontrollüberlegung anhand des Zwecks des § 133 InsO zeigt, dass das vom Landesarbeitsgericht gewonnene Ergebnis richtig ist. Weder die Schuldnerin, noch die Beklagte haben ein von § 133 InsO missbilligtes Verhalten gezeigt. Die Beklagte sollte nicht zum Vorteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. Es liegt ein Fall vor, welcher die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht rechtfertigt (vgl. Bork ZIP 2008, 1041, 1046). Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil der Beklagten rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Verhaltensalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt (vgl. Lüdtke ZInsO 2013, 1984, 1989). Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht.
Zugleich wäre das erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Anfechtung konkruenter Deckungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und der Vorsatzanfechtung nicht gewahrt.

Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, jedenfalls aber wegen des Fehlens einer Gläubigerbenachteiligung aus.“

Das Bundesarbeitsgericht zog also mit dieser Entscheidung eine abschließende Kontrollüberlegung als „Sicherheitsschirm“ zu Anfechtungsbemühungen einiger Insolvenzverwalter ein, welche versuchen, „verdiente“ Lohnansprüche bestimmter Arbeitnehmergruppen über die Insolvenzanfechtung (Vorsatzanfechtung) zurück zu erlangen.

Es ließ hierbei auch nicht die häufig anzutreffende Argumentation gelten, dass die betroffenen Arbeitnehmer schließlich bis zu 3 Netto-Monatsgehälter nachträglich über Insolvenzgeld, geleistet durch die Bundesagentur für Arbeit, nachträglich erhalten könnten.

Schließlich machte das Bundesarbeitsgericht nochmals in aller Deutlichkeit darauf aufmerksam, dass die Norm des § 133 InsO keinen „Superanfechtungstatbestand“ schaffe, sondern im Regel-Ausnahme-Verhältnis zu den anderen, tatbestandlich viel enger gefassten Anfechtungsnormen, nur und ausschließlich durch den Gesetzgeber missbilligtes gläubigerschädigendes Verhalten verhindern wolle.

Zudem sei bei Lohnzahlungen auf die Besonderheiten des wechselseitigen Austauschverhältnisses „Lohn gegen Arbeitsleistung“ und die damit verbundene Ähnlichkeit zu den gesondert geschützten „Bargeschäften hinzuweisen.

Arbeitnehmer, welche sich Erstattungsansprüchen von Insolvenzverwaltern ausgesetzt sehen, sollten insbesondere aufgrund der vorliegenden Entscheidung nicht allzu schnell die Waffen strecken und sich auf Leistungen Dritter (z. B. durch die Bundesagentur für Arbeit) verweisen lassen.

Lohnrückerstattungsansprüche des Insolvenzverwalters einer Arbeitgeberin bestehen nämlich in aller Regel nicht.


Bundesarbeitsgerichts (BAG 6 AZR 345/12, verkündet am 29.01.2014


Signatur Artikel Björn-M. Folgmann