Urlaubsansprüche doch vererbbar – EUGH bringt Trendwende zur Entscheidung BAG 9 AZR 416/10


Der Europäische Gerichtshof (EUGH) erkennt die Möglichkeit der Vererbung von Urlaubsansprüchen in kapitalisierter Form der Urlaubsabgeltung, in einer ganz aktuellen Entscheidung an.

Was war geschehen?

„Im streitgegenständlichen Fall war ein Arbeitnehmer in einem Unternehmen seit dem Jahre 1998 beschäftigt. Zuletzt erkrankte der Arbeitnehmer schwer. Seit 2009 war er im maßgeblichen Umfange erkrankt und damit arbeitsunfähig. Er verstarb im ungekündigten Arbeitsverhältnis. Die Erben beanspruchten Urlaubsabgeltung.“

Für einen vergleichbaren Fall hatte das Bundesarbeitsgericht noch mit der Entscheidung BAG 9 AZR 416/10, verkündet am 20.09.2011 angenommen, dass der Urlaubsanspruch und damit der Anspruch auf Urlaubsabgeltung bereits durch den Tod des Arbeitnehmers untergegangen sei, bevor Kapitalisierung in der Person des Arbeitnehmers hätte eintreten können.

Es formulierte hierzu schlicht:

„Endet das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmers, erlischt zugleich der Urlaubsanspruch. Er wandelt sich nicht in einen Abgeltungsanspruch im Sinne von§ 7 Abs. 4 BUrlG um.“

Hierbei handelte es sich in Anbetracht dessen, als dass der  Tod das Arbeitsverhältnis bereits beendete und damit auch die bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Naturalansprüche auf Urlaub nicht mehr in natura angetreten werden konnten, um eine dogmatisch konsequente Entscheidung.

Aufgrund einer Vorlagesache des LAG Hamm kam es nun zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs.

Die Begründung erfolgte dabei weniger dogmatisch, sondern eher ergebnisorientiert.

Der EUGH AZ C-118/13 stellte in seiner Begründung zur Entscheidung Bollacke im Wesentlichen darauf ab, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch sich mit dem Gedanken der praktischen Wirksamkeit des Urlaubsanspruchs begründe und daher der Urlaubsabgeltungsanspruch auch vererbbar seien müsse.

Er legte die maßgebliche national-rechtliche Norm des § 7 Abs. 4 BUrlG europarechtskonform wie folgt aus:

„Art. 7 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet.“

Diese wohl wegweisende Entscheidung rundet das Bild rund um die aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung langsam ab. Es handelt sich hierbei um einen weiteren Mosaikstein zum neuen europa-rechtlich geprägten Gesamtbild der Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung, welches wir bereits im Wesentlichen mit dem Artikel Rechtssicherheit zur Frage des Verfalls von Urlaubsansprüchen dargestellt hatten.

Für Arbeitgeber hat diese Entscheidung weitergehende Konsequenzen, weil sie sich künftig auch mit erbrechtlichen Ansprüchen, welche zum Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers überhaupt noch nicht begründet waren, auseinandersetzen müssen.

Erben von – vor allen Dingen von langfristig erkrankten Arbeitnehmern – sollten sich bei der Abwicklung der Erbschaft nunmehr mit ihrem Augenmerk auch auf die Abwicklung des ehemaligen Arbeitsverhältnisses konzentrieren und die dort noch bestehenden Ansprüche ermitteln. Nicht selten dürfte es sich bei langwierigen Erkrankungen um Abgeltungsansprüche im vierstelligen Bereich handeln.


Signatur Artikel Björn-M. Folgmann