Zwangsvollstreckung und Pfändungsschutz


Der Schuldner genießt, selbst, wenn er sich einer Zwangsvollstreckung ausgesetzt sieht, ein Mindestmaß an Schutz, zur Sicherung seines Lebensunterhalts.

Grundsätzlich soll vermieden werden, dass der Gläubiger den Schuldner „kahlpfändet“ und dieser seinen eigenen Unterhalt nicht mehr ohne staatliche Transferleistungen sichern kann.

Eine „Kahlpfändung“ ginge nämlich zu Lasten der Allgemeinheit, welche aus sozialstaatlichen Gründen gehalten wäre, dem Schuldner, welcher seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln nur deshalb nicht mehr sichern kann, weil sein Einkommen übermäßig gepfändet wurde, staatliche Transfer-Leistungen zu gewähren. Pfändungsschutz auf Einkommen soll also den Lebensunterhalt des Schuldners sichern.

Dieser gesetzgeberische Zweck wird durch die Regelungen der §§ 850 ff. ZPO, insbesondere durch die Vorschrift des § 850 c ZPO, sichergestellt. Auch die Einrichtung eines sog. Schuldnerschutzkontos ist in diesem Zusammenhang zu sehen (sog. „K-Konto“ i. S. d. § 850 k ZPO). Erwähnenswert ist hier vor allem auch die sog. Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung (Stand 1-7-2013). Sie gewährt dem ledigen, nicht unterhaltspflichtigen Schuldner, bereits einen Pfändungsfreibetrag in Höhe von 1.049,99 € an monatlichem Netto-Einkommen.

Probleme ergeben sich in der Praxis jedoch immer dann, wenn verschiedene Arten von Gläubigern, mit ihren Bemühungen der Befriedigung aus Zwangsvollstreckung, aufeinandertreffen.

Fraglich ist insbesondere die Zuordnung von Pfändungsbeträgen auf Einkommen, welche durch einfache Gläubiger, Unterhaltsgläubiger und einen Treuhänder/Insolvenzverwalter zugleich beansprucht werden.

1.

Minderjährige Unterhaltsgläubiger haben dem Grunde und der Höhe nach ein Zugriffsrecht auf die Differenz zwischen Selbstbehalt („Opfergrenze“) und Pfändungsfreigrenze. Der Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners bemisst sich an der Grenze des notwendigen Selbstbehalts i. S. d. § 1603 Abs. 2 BGB.

Dem Schuldner verbleibt nur der notwendige Selbstbehalt.

Die „Opfergrenze“ soll nach einer gemeinsamen Leitlinie der Oberlandesgerichte vom 1. Januar 2013 bei

Erwerbstätigen auf 1.000,00 €

dauerhaft nicht Erwerbstätigen 800,00 €

lauten.

Die genaue Höhe wird durch das zuständige Familiengericht mittels Beschlusses festgelegt.

2.

Der Insolvenzverwalter kann im originären Insolvenzverfahren aus den Vorschriften der §§ 35 InsO, 850 c ZPO Zugriff auf den allgemein pfändbaren Teil des Einkommens nehmen, soweit nach Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtungen, überhaupt noch allgemein pfändbare Beträge zur Verfügung stehen.

Für den Zeitraum des Restschuldbefreiungsverfahrens nimmt er auf diese Beträge Zugriff nach den Vorschriften der §§ 287 Abs. 2 InsO, 850 c ZPO.

3.

Allgemeine Gläubiger, gleich ob Gläubiger von Alt- oder Neu-Verbindlichkeiten, können in dieser Situation aufgrund der insolvenzrechtlichen Sonderbestimmungen grundsätzlich keinerlei Beträge mehr erhalten.

Gläubiger, aber vor allem Arbeitgeber, welche schlussendlich sich bei Verletzung der gesetzgeberischen Anordnungen durch die Pfändungsschutzbestimmungen, Schadensersatzansprüchen, bzw. der Pflicht zur doppelten Leistung (vgl.   § 407 BGB), ausgesetzt sehen, sind gehalten im Vorfeld etwaiger Einbehaltungen und Abzweigungen von Lohnansprüchen, sich rechtlichen Rat einzuholen.

„Erfolgreichen“ Gläubigern droht vor allen Dingen, das mühsam in der „Krise“ des Schuldners erstrittene Geld, an den Insolvenzverwalter aufgrund der besonderen Bestimmungen zu nachteiligen Rechtshandlungen nach §§ 129 ff. InsO, herausgeben zu müssen (Insolvenzanfechtung).

Allen betroffenen Gläubigern ist jedenfalls regelmäßig anzuraten, zu überprüfen, ob nicht sog. verschleiertes Arbeitseinkommen vorliegt und aufgrund einer Sonderabrede zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer an sich pfändbare Lohnbestandteile, in unpfändbares Einkommen umgewandelt werden sollen. Indizien bieten häufig veränderte Abrechnungsmodalitäten in den Lohn- und Gehaltsabrechnungen des Schuldners. Hier kommt im begründeten Einzelfall auch die Erhebung einer sog. Einziehungsklage in Betracht.

Gerade im „Minenfeld“ Zwangsvollstreckung ist bei einem atypisch verlaufenden Fall, rechtzeitig Rechtsrat einzuholen, um nicht „gutes Geld“”, „schlechtem“ Geld hinterher zu werfen.

Signatur Artikel Björn-M. Folgmann