Religionsfreiheit vs. Schulpflicht


Ob es um die Teilnahme am Sport- oder Religionsunterricht geht, um die Teilnahme am Sexualkundeunterricht, an schulischen Veranstaltungen oder sogar um die generelle Teilnahme am Schulunterricht: das Spannungsverhältnis zwischen der Glaubens- und Religionsfreiheit auf der einen und der Schulpflicht auf der anderen Seite, ist oft Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen.

Jüngste Entscheidung ist die des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zur Frage der Befreiung vom koedukativen Schwimmunterricht aus dem Grundrecht der Glaubens- und Religionsfreiheit.

Im vorliegenden Fall hatten muslimische Eltern eines dreizehnjährigen Mädchens, das das Gymnasium besuchte, den Antrag gestellt, ihre Tochter von der Pflicht, den Schwimmunterricht zu besuchen, zu befreien. Als Begründung führten die Eltern unter anderem an, dass die gemeinsame Teilnahme von Jungen und Mädchen am Schwimmunterricht nicht mit den muslimischen Bekleidungsvorschriften in Einklang zu bringen sei und es zudem zu Berührungen von Jungen und Mädchen kommen kann. Die Schule lehnte die Befreiung ab.

Das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof wiesen die hiergegen eingereichten Klagen ab

Der Verwaltungsgerichtshof erkannte zwar an, dass bei strenger Auslegung des Korans auch das Gebot bestehe, sich nicht mit dem Anblick von Jungen in Badebekleidung zu konfrontieren und körperliche Berührungen mit Jungen zu vermeiden. Allerdings sei dieser Eingriff durch die staatlichen Erziehungsziele gerechtfertigt.

Die Revision wies das BVerwG zurück. Das BVerwG bejahte zwar ebenfalls einen Eingriff in das Grundrecht der Religionsfreiheit, gewährte der Schulpflicht jedoch den Vorrang.

Gegeneinander abzuwägen waren Grundrecht der Glaubensfreiheit und das Recht der Eltern zur Pflege und Erziehung und der stattliche Erziehungsauftrag. Die Eltern haben das Recht zur Kindererziehung in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht. Es ist Sache der Eltern, ihren Kindern Überzeugungen in Glaubens- und Weltanschauungsfragen zu vermitteln. Dieses Recht wird jedoch durch den Erziehungsauftrag beschränkt. Der Erziehungsauftrag der Schule verpflichtet zu Neutralität und Toleranz. Schule hat die Aufgabe zu integrieren, offen zu sein und nicht auszugrenzen. Auch soll die Schule dafür sorgen, dass Minderheiten, egal welcher Art, sich nicht selbst ausgrenzen, damit Chancengleichheit gewährleistet werden kann.

Im vorliegenden Fall wurde die Pflichtteilnahme mit dem Argument begründet, dass durch den Burkini eine Möglichkeit geschaffen ist, eine weitgehende Anpassung an die Bekleidungsvorschriften des Koran zu gewährleisten und gleichzeitig die schulischen Verpflichtungen zu erfüllen. Auch wenn der Burkini nicht ganz den Anforderungen der Bekleidungsvorschriften entspreche, so sei dieser verbleibende Eingriff von der Schülerin hinzunehmen.

signatur-artikel-nadine-becker

(BVerwG, Urteil v. 11.09.2013, 6 C 25.12; Pressemitteilung Bundesverwaltungsgericht Nr. 63/2013)