Rechtssicherheit zur Frage des Verfalls von Urlaubsansprüchen


Lange Zeit war in der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Instanzgerichte unbestritten, dass gesetzlicher Urlaub unter Anwendung der Regelung des § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) mit Ablauf des 31. März des, auf das dem Urlaubsjahr folgenden Jahr, auch dann verfällt, wenn der Arbeitnehmer über diesen Zeitpunkt hinaus arbeitsunfähig erkrankt war und aus diesem Grunde den Urlaub nicht antreten konnte.

Durch die sog. „Schultz-Hoff-Entscheidung“ des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) erhielt diese nationale Rechtsprechung erhebliche Korrekturen. In der Folge dieser Entscheidung war zunächst unklar, ob Urlaub in Fällen der langanhaltenden Erkrankung überhaupt noch verfallen könne. Maßgeblichen Einfluss hatte diese Frage vor allen Dingen für Arbeitsverhältnisse, welche endeten und bei welchen der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Ausscheidens, unverändert arbeitsunfähig erkrankt war. Das BAG stellte jedoch in Anlehnung an eine weitere Entscheidung des EuGH fest, dass Urlaubsansprüche zumindest nach einem Übertragungszeitraum von 15 Monaten verfallen könnten.
In besonderen Fällen kann jedoch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung im Rahmen einer Altersteilzeit eines Beamten im sog. Block-Modell entfallen (vgl. VG Koblenz 24.01.2014, 5 K 1115/13 KO) (BAG 9 AZR 623/10).

Damit wurde ein rechtlich verbindlicher Rahmen gesetzt, an welchen sich künftig die Arbeitsvertragsparteien zu halten haben werden.

Einhergehend mit dieser korrigierten Rechtsprechung wandte sich das BAG auch gegen seine bisherige Rechtsprechung, bei dem Urlaubsabgeltungsanspruch, welcher bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer verlangt werden konnte, handele es sich um ein Surrogat des Urlaubsanspruches. Bis dato musste Urlaubsabgeltung – vergleichbar dem Urlaubsanspruch als solches – durch den Arbeitnehmer vom Arbeitgeber ausdrücklich verlangt werden.

Mit Abkehr von der sog. „Surrogationstheorie“ mit der Entscheidung BAG vom 19. Juni 2012 NZA 2012, 1087 wurde der Urlaubsabgeltungsanspruch nunmehr zu einem bloßen Vermögenswert. Dieser wird nach aktueller Rechtsprechung nunmehr fällig mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ohne dass der Arbeitnehmer etwas hierzu tun müsste. Als echter vermögenswerter Anspruch kann damit der Urlaubsabgeltungsanspruch dem Grunde nach auch z. B. vererbt werden.

Unklar war bis zur Entscheidung des BAG 9 AZR 844/11, ob mit der Aufgabe der „Surrogationstheorie“, auch die mögliche Rechtsfolge verbunden war, dass der Arbeitnehmer nunmehr wirksam auf Urlaub verzichten konnte.

In der Vergangenheit hatte die Arbeitsgerichtsbarkeit angenommen, dass auf Urlaubsabgeltung nicht verzichtet werden konnte, da es sich bei der Urlaubsabgeltung um ein Surrogat des Urlaubsanspruches handelte. Da der Arbeitnehmer auf Urlaub nicht verzichten konnte, konnte er auch wirksam nicht auf Urlaubsabgeltung verzichten. Mit seiner Entscheidung vom 14. Mai 2013 hat das BAG nunmehr festgestellt, dass der Arbeitnehmer z. B. in arbeitsgerichtlichen Vergleichen, im Einzelfall auch auf seinen Urlaubsabgeltungsanspruch dem Grunde nach verzichten könne. Jedoch wies das Bundesarbeitsgericht darauf hin, dass im Einzelfall eine umfassende Auslegung der Verzichtsklausel zu erfolgen habe, um rechtssicher festzustellen, ob die Parteien tatsächlich einen wirksamen Verzicht auf Urlaubsabgeltung vereinbart haben.

Mit dieser letztgenannten Entscheidung ist nunmehr die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu Urlaubsansprüchen und Urlaubsabgeltung weitestgehend abgerundet und systematisiert.

Auf den ersten Blick erscheint aus diesem Grunde auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12. März 2013 etwas widersprüchlich zur vorzitierten Entscheidung. Mit der Entscheidung BAG 12.03.2013, 9 AZR 532/11 hatte das Bundesarbeitsgericht nämlich entschieden, dass der Urlaubsanspruch und damit in der Folge auch der Urlaubsabgeltungsanspruch des Arbeitnehmers mit seinem Tode untergehe und letztgenannter nicht vererbbar sei.

Wie sich diese Entscheidung mit den übrigen dargestellten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts – mit wesentlicher Abkehr von der „Sorrugationstheorie“ – in Einklang bringen lässt, bleibt abzuwarten.

Ergänzt wird neuerdings diese Rechtsprechung auch  durch eine Entscheidung des Niedersächsischen Landesarbeitsgerichtes. Nach dieser genügt grundsätzlich zur Geltendmachung von Urlaubsabgeltungsansprüchen auch die Erhebung der Bestandsschutzklage (Kündigungsschutzklage). Damit verlören in diesem Teilbereich die sog. doppelten Ausschlussklauseln von Arbeitsverträgen weiterhin an Bedeutung.

Dem Arbeitnehmer sei nämlich gemäß LAG Niedersachsen 9 Sa 138-13 unzumutbar, sämtliche möglichen Klageanträge bereits binnen kürzester Zeit zu erheben, um eventuelle Rechtsnachteile zu vermeiden. Dies gelte auch insbesondere vor dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und sei im Ergebnis verfassungsrechtlich in den Justizgrundrechten verankert. Die Revision zu dieser Entscheidung wurde zugelassen.

Sollte diese Entscheidung rechtskräftig werden, bedeutete dies für Arbeitnehmer eine erhebliche Abmilderung der Prozessrisiken

Signatur Artikel Björn-M. Folgmann